Anwenderfreundliche Gebrauchsanweisungen: Der Nutzen in der klinischen Praxis

15/07/2022
Die Gebrauchsanweisung (GBA) muss viele Anforderungen erfüllen. Sie soll aus regulatorischer und rechtlicher Sicht vollständig und sicher sein. Das heißt, sie soll alle Punkte aus Anhang I der MDR erfüllen und im Falle eines Rechtstreits Absicherung bieten. Ein weiterer wichtiger Aspekt darf bei der Erstellung einer GBA dennoch nicht vergessen werden: Sie ist eine Anleitung zum Gebrauch für den Anwender. Und genau diese Anwender müssen bestmöglich unterstützt werden.

Wir richten uns in diesem Beitrag an alle Verfasser, Gestalter, Korrekturleser und Validierer der GBA (und alle Interessierten): Wie sieht eine Gebrauchsanweisung aus, die eine echte Unterstützung für den Anwender bei der Bedienung des Medizinprodukts darstellt?
GBAs für Medizinprodukte gibt es bekanntlich in vielen Formen, z. B. als:
     Benutzerhandbuch, das in einem Karton den Produkten beiliegt,
     Abschnitt in einer Packungsbeilage, die in der Primärverpackung versteckt ist,
     zusammengefaltetes Stück Papier oder
     laminierte Schnellstartanleitung, die am Gerät anhängt.

Gebrauchsanweisungen werden in einer Vielzahl von Umgebungen und für ein breites Spektrum von Anwendern eingesetzt. Zwar mögen sie nicht immer das ideale Medium sein, einen Anwender zu instruieren, aber für Hersteller stellen GBAs oft die beste (oder letzte) Option dar, um mit dem Anwender zu kommunizieren und damit die Sicherheit und Wirksamkeit seines Medizinprodukts zu unterstützen. Wie stellen Sie als Hersteller sicher, dass diese Kommunikation mittels GBA gelingt?

Lernen Sie den Anwender kennen

Die Anforderungen an die Gestaltung der GBA sind im Allgemeinen die gleichen wie die Anforderungen an die Gestaltung eines jeden Produkts: Gutes Design beinhaltet ein Verständnis für den realen Gebrauch eines Produkts. Je genauer Sie Ihre Benutzer und die Einsatzumgebungen kennen und berücksichtigen, desto besser können Sie wirksame GBAs entwerfen. Insbesondere die Eigenschaften, Bedürfnisse, Kenntnisse und Fähigkeiten der Benutzer sind hier zu beachten.

Definieren Sie genau, wer der Anwender ist: z. B. Chirurg, Hausarzt, medizinisches Fachpersonal oder der Patient selbst. Entsprechend unterschiedlich sind bspw. Sehvermögen, motorische Fähigkeiten, Lesefähigkeiten, oder Vorkenntnisse. Die jeweiligen Nutzungsumgebungen sind ebenfalls von Bedeutung und können bspw. Schwach beleuchtet, hektisch, feucht oder laut sein. Wichtig ist auch, ob die GBA schon vor der Benutzung des Produkts oder erst während der Benutzung betrachtet wird.

Ein Verständnis für den Benutzer und die Anwendungsbedingungen sowie für mögliche Fehler und deren Folgen ist entscheidend, um das Design der GBA auf diejenigen Informationen zu konzentrieren, die die größte Auswirkung auf die Sicherheit haben werden.

Die Gebrauchsanweisung als Unterstützung für die Anwender gestalten

Bekanntlich werden GBAs auf ganz unterschiedliche Weise genutzt, u. a. als Vorbereitung vor der Nutzung, als Leitfaden während der Nutzung oder als Hilfsmittel zur Fehlerbehebung, und leider werden manche GBAs auch überhaupt nicht genutzt. Erfahrungsgemäß wird eine große Zahl von Anwendern die GBA nicht Wort für Wort lesen, sondern lediglich überfliegen. Das Ziel sollte daher sein, den Anwender zum Lesen zu überzeugen.

Es gibt einige Gestaltungsmerkmale, die eine GBA unabhängig von deren Nutzungsweise benutzerfreundlich und ansprechend machen. Einige dieser Merkmale sind:

Eindeutigkeit
  • Vorsicht bei großen Produktgruppen: Zugehörige Produkte müssen klar erkennbar sein.
  • Konsistenz: Achten Sie auf gleiche Benennung des Produkts auf der Verpackung und in der GBA.
  • Die Zweckbestimmung und die Indikationen sollten separat beschrieben sein.

Übersicht
  • Der Aufbau muss unbedingt logisch sein: Das Wichtigste kommt zuerst (z. B. bestimmungsgemäßer Gebrauch, Indikationen, Kontraindikationen), dann der eigentliche Gebrauch in der richtigen Reihenfolge (Anweisungen), und erst zum Schluss die für den eigentlichen Gebrauch irrelevanten Zusatzinformationen (Spezifikationen, Ersatzteile, usw.).
  • Verwenden Sie Bullet-Point-Listen.
  • Formatieren Sie kritische Informationen so, dass sie auch beim Überfliegen der GBA deutlich erkennbar sind (bspw. Fettgedruckte Wörter und Überschriften, klare Kapitelstruktur).
  • Die Beschreibung und die Reihenfolge von Arbeitsschritten müssen realistisch sein und zu 100 % stimmen.

Lesbarkeit
  • Verwenden Sie kurze, handlungsorientierte Sätze.
  • Verwenden Sie eine Sprache, die zum Anwender passt: Sie soll sowohl eindeutig als auch einfach und praktisch sein, keine unnötigen Fremdwörter oder Fachbegriffe beinhalten.
  • Wählen Sie eine passende Schriftgröße, gerne größer als die in Normen angegebenen Mindestgrößen.
  • Verwenden Sie veranschaulichende Diagramme und Bilder (Zeichnungen sind besser als Fotografien).
  • Erstellen Sie Abbildungen, die so weit wie möglich ohne begleitenden Text verstanden werden können.

Sicherheit und Warnungen
  • Weisen Sie auf die Folgen oder potenziellen Risiken eines Missbrauchs hin, um die Befolgung der Anweisungen in der GBA zu fördern.
  • Eine Wiederholung kritischer Informationen in einem Abschnitt „Häufig gestellte Fragen“ (FAQ) innerhalb der relevanten Schritte ist hilfreich.
  • Heben Sie Warnungen leicht erkennbar und immer auf die gleiche Art hervor, z. B. mit einem großen Symbol und in Farbe.
  • Risikominimierende Maßnahmen: Warnungen zur Vorbereitung kommen vor die Beschreibung des Gebrauchs, Warnungen während des Gebrauchs an die exakte Stelle.

Zusammenfassend gesagt: Es ist wichtig, dass GBA-Ersteller auf die Gesamtlogik, die Struktur und die Lesbarkeit achten. Diejenigen, die GBAs für Patienten und Laien entwerfen, sollten zusätzlich eine Anpassung des Vokabulars an diese Anwendergruppe vornehmen.

Die GBA auf Anwenderfreundlichkeit testen

Überprüfen Sie nach der Gestaltung, ob sich die GBA als anwenderfreundlich bestätigt:

  • Nutzerverhalten: Beim simulierten Einsatz der GBA können Sie Erkenntnisse über die Logik und Struktur erhalten. In einer solchen Studie müssen die Teilnehmer die GBA bei der erstmaligen Nutzung eines Produkts Schritt für Schritt befolgen. Dadurch wird aufgedeckt, ob Schritte fehlerhaft sind oder gar nicht ausgeführt werden.

  • Auffindbarkeit und Verständnis: Sie sollten prüfen, wie gut die Leser die Informationen auffinden und wie sie diese interpretieren können (eventuell wird zu viel geblättert, oder Testpersonen können Inhalte nicht wiedergeben). Diese Art von Studie ist hilfreich, um Erkenntnisse für die Fehlersuche zu gewinnen und die Angemessenheit des Vokabulars für die Benutzergruppe(n) eines Produkts zu prüfen.

  • Ansprechende Gestaltung: Überprüfen Sie die Benutzerfreundlichkeit der GBA unter Bedingungen, die den realen Gebrauch simulieren, um zu testen, ob die GBA den Leser anspricht. Außerdem können Sie spezifische Designelemente identifizieren, die die Nutzung fördern oder behindern.

Seien Sie mutig

Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Gebrauchsanweisung für die Leser ansprechend und wirksam zu gestalten, und doch sind viele GBAs noch nicht so gut wie sie sein könnten. Eine mögliche Erklärung dafür sehen wir darin, dass bei der Erstellung bestimmten (nicht anwenderorientierten) Bedenken oft zu viel Dringlichkeit beigemessen wird. Dies kann u. a. zu unlogischen Reihenfolgen und falschen Betonungen in der GBA führen.

Beispiele dazu:
  • Häufig liegt der Fokus stark auf der rechtlichen Absicherung und der Erfüllung des Anhang I. Dadurch wird es sehr schwer, sich noch ausreichend in den Leser hineinzuversetzen.
  • Müssen viele ähnliche – aber nicht gleiche – GBAs für ein großes Produktportfolio erstellt werden, kann es zu einer gewissen ‚Aufwandsscheu‘ kommen, und Fehler werden vermehrt übersehen (Stichwort: Betriebsblindheit). Hier kann z. B. redaktionelles Content-Management helfen, um das Auseinanderdriften von Textteilen zu vermeiden, die eigentlich immer gleich sein sollten.
  • Um den finanziellen und zeitlichen Aufwand für eine komplette Überarbeitung der GBA zu vermeiden, werden an die GBA immer nur weitere Textteile angehängt.

Wir möchten Sie dazu ermutigen, all diesen Schwierigkeiten entgegenzutreten, um mit der GBA Ihrem Produkt und seinen Benutzern gerecht zu werden. Schöpfen Sie Ihre gestalterischen Möglichkeiten aus, und setzen Sie Prozesse in Gang, die langfristig zur Verbesserung Ihrer GBAs beitragen.

Take Home Messages

  • Lernen Sie Ihre Anwender und deren Nutzungsumgebung kennen.
  • Nutzen Sie gestalterische Möglichkeiten, um die GBA ansprechend und wirksam zu machen.
  • Testen Sie Ihre GBA, um Probleme aufzudecken und um festzustellen, welche Aspekte der GBA Nutzungsfehler verursachen, zu ihnen beitragen oder ihnen nicht entgegenwirken.
  • Behalten Sie im Hinterkopf, dass der Benutzer die GBA wahrscheinlich nicht wie vorgesehen verwenden wird.

Haben Sie schon eine Strategie für die Optimierung Ihrer Gebrauchsanweisungen oder benötigen Sie dabei Unterstützung? Unser Team ist gerne für Sie da. Kontaktieren Sie uns!

Beste Grüße

Dr. Anna Rist    Dr. Philippe Thiel
Expert   
Regulatory Affairs
& Technical Documentation
     
Expert
Clinical Affairs
& Technical Documentation

+49 621 123469-038    +49 621 123469-22
anna.rist@metecon.de    philippe.thiel@metecon.de

   

Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Artikel auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.


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