Bioburden und Endotoxine bei Medizinprodukten: Zwischen regulatorischer Pflicht und unterschätztem Risiko
15.07.2025
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Die mikrobiologische Reinheit ist mehr als nur ein regulatorischer Haken – sie ist entscheidend für die Patientensicherheit. Viele Hersteller von invasiven Medizinprodukten unterschätzen die langfristige Bedeutung einer durchdachten Strategie zur Kontrolle von Bioburden und Endotoxinen. Neben den Anforderungen durch MDR, ISO 11737-1 oder AAMI ST 72 stehen Sie auch vor praktischen Herausforderungen: Welche Nachweise sind notwendig? Wie kann man Prüfstrategien kosteneffizient validieren? Und wie lassen sich länderspezifische Anforderungen schon in der Entwicklung sinnvoll berücksichtigen?In diesem Beitrag geben wir einen Überblick zu regulatorischen Anforderungen, Testmethoden und Risikofaktoren - und zeigen auf, wie Hersteller frühzeitig Risiken erkennen und vermeiden können.
Die zur Auswertung notwendige Validierungsparameter wie Wiederfindungsrate und Nachweisgrenze müssen dabei dokumentiert und regelmäßig geprüft werden. Es existieren keine universellen Grenzwerte für Bioburden – vielmehr ist eine produktspezifische Festlegung erforderlich, basierend auf Risikobewertung und Prozesskontrolle. In der Praxis werden Trendanalysen herangezogen, um Abweichungen von der mikrobiologischen Basislinie frühzeitig zu erkennen.Der Goldstandard für den Nachweis von Endotoxinen ist der Limulus-Amoebocyte-Lysat (LAL)-Test, der auf der Gerinnungsreaktion von Blutbestandteilen des Pfeilschwanzkrebses Limulus polyphemus basiert. Nach erfolgter Spülung mit pyrogenfreiem Wasser (water for injection (WFI)) wird einer der verfügbaren Testarten durchgeführt:
Risiken verstehen, regulatorisch absichern
Gerade bei steril gelieferten Medizinprodukten ist die Kontrolle mikrobiologischer Belastung ein kritischer Faktor für die Produktsicherheit, und oft eine unterschätzte Schwachstelle. Im Fokus steht dabei die Bestimmung des Bioburden, also der Keimbelastung eines Produkts. Dieser Parameter ist nicht nur regulatorisch, sondern ebenfalls für die Validierung und Routineüberwachung von Herstell- und Sterilisationsprozessen relevant. Bei vielen Medizinprodukten reicht die reine Sterilität im mikrobiologischen Sinne jedoch nicht aus. Insbesondere bei Medizinprodukten, die mit dem Blutkreislauf, dem Liquorraum oder anderen sterilen Körperkompartimenten in Kontakt kommen, können Überreste abgetöteter Bakterien, die sogenannten Endotoxine, ein erhebliches Risiko darstellen. Die Kontrolle von Endotoxinen ist daher ebenso ein integraler Bestandteil des Hygienemanagements und der regulatorischen Konformität.Was sind Bioburden und Endotoxine?
Der Begriff Bioburden wird gemäß ISO 11737-1 definiert als die Gesamtanzahl an lebensfähigen Mikroorganismen (z. B. Bakterien und Pilze), die sich vor einer Sterilisation auf einem Medizinprodukt oder der Sterilverpackung befinden. Die Bioburden-Analyse liefert:- eine Grundlage zur Validierung und Requalifizierung von Sterilisationsverfahren,
- einen Parameter zur Beurteilung der Wirksamkeit von Reinigungsverfahren,
- Hinweise auf mikrobiologische Schwankungen im Herstellprozess.
- Medizinprodukten für den intravaskulären Einsatz (z. B. Katheter, Stents)
- implantierbaren Systemen
- Produkten mit Kontakt zum zentralen Nervensystem (ZNS) (z. B. Shunts, neurochirurgische Implantate)
Bioburden-Kontrolle und Endotoxin-Nachweis: Regulatorische Anforderungen
Die Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation (EU) 2017/745 (MDR)) legt in Anhang I unter Punkt 11 die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen zum Thema Infektion und mikrobielle Kontamination fest. Es wird verlangt, dass die Produkte und ihr Herstellungsverfahren so ausgelegt werden, dass das Infektionsrisiko für Patienten, Anwender und gegebenenfalls Dritte ausgeschlossen oder so gering wie möglich gehalten wird. Hier soll ein Entweichen von Mikroben aus dem Produkt und/oder eine mikrobielle Exposition während der Verwendung so weit wie möglich verringert werden. In jeden Fall ist dazu eine Nachweiserbringung über die validierte Kontrolle der mikrobiologischen Reinheit im Rahmen des Qualitätsmanagementsystems nach ISO 13485 notwendig. Hierzu legt die Norm ISO 11737-1 Anforderungen für die Zählung und mikrobielle Charakterisierung der Population lebensfähiger Mikroorganismen auf oder in einem Medizinprodukt fest.Die Kontrolle pyrogener Substanzen, insbesondere bakterieller Endotoxine, ist für viele Produktklassen vorgeschrieben. So verlangt die Norm AAMI ST 72, dass Medizinprodukte, die indirekten oder direkten Kontakt zum Herz-Kreislauf-System, dem Lymphsystem oder mit dem Liquor haben, auf das Vorliegen von Endotoxinen geprüft werden. Dies umfasst u. a. intravenöse Katheter, Implantate, Schläuche und Zubehör von extrakorporalen Sauerstoffgeräten, Herzklappen sowie Gefäßprothesen. Erwägungen der FDA im Bezug auf Testempfehlungen und Akzeptanzkriterien, wie sie in den United States Pharmacopeia (USP)-Kapiteln 85 und 161 beschrieben sind, sind in einem Leitfaden (Guidance for Industry Pyrogen and Endotoxins Testing: Questions and Answers) zu finden.Testmethoden, Validierung, Grenzwerte: Das müssen Hersteller wissen
Die Bestimmung des Bioburden erfolgt typischerweise in den folgenden Schritten:- Keimfreisetzung: Mikroorganismen werden durch eine geeignete Methode vom Medizinprodukt gespült.
- Kultivierung des Extrakts auf nicht-selektiven Nährmedien, unter definierten Inkubationsbedingungen (aerob/anaerob, Temperatur).
- Auswertung: quantitative Auszählung der KBE (koloniebildende Einheiten).
Die zur Auswertung notwendige Validierungsparameter wie Wiederfindungsrate und Nachweisgrenze müssen dabei dokumentiert und regelmäßig geprüft werden. Es existieren keine universellen Grenzwerte für Bioburden – vielmehr ist eine produktspezifische Festlegung erforderlich, basierend auf Risikobewertung und Prozesskontrolle. In der Praxis werden Trendanalysen herangezogen, um Abweichungen von der mikrobiologischen Basislinie frühzeitig zu erkennen.Der Goldstandard für den Nachweis von Endotoxinen ist der Limulus-Amoebocyte-Lysat (LAL)-Test, der auf der Gerinnungsreaktion von Blutbestandteilen des Pfeilschwanzkrebses Limulus polyphemus basiert. Nach erfolgter Spülung mit pyrogenfreiem Wasser (water for injection (WFI)) wird einer der verfügbaren Testarten durchgeführt:
- Gelgerinnung: einfach, sensitiv, visuell ablesbar (rein qualitativ, veraltet)
- Kinetisch-chromogener Test: farbmetrisch (quantitativ und qualitativ)
- Kinetische Turbidimetrie: trübungsmessend, automatisierbar (quantitativ und qualitativ)