Biokompatibilität: Neues FDA Guidance Dokument zur Anwendung der ISO 10993-1

29.07.2021
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Im September 2020 gab die FDA ein neues Leitlinien-Dokument zur Auslegung der ISO 10993-1 für Zulassungen auf dem US-amerikanischen Markt heraus, welches das Vorgängerdokument aus dem Jahr 2015 ablöst. Dieses Leitliniendokument soll die Industrie bei der Vorbereitung von Premarket Applications (PMAs), Humanitarian Device Exceptions (HDEs), Investigational Device Applications (IDEs), Premarket Notifications (510(k)s) und De Novo-Anfragen für neue Medizinprodukte zu unterstützen. Dr. Stefan Sinn, Expert Biological Safety bei Metecon, fasst Geltungsbereich, Zielsetzung und Umsetzung für Sie zusammen und bringt so Gemeinsamkeiten und Unterschiede von FDA- und CE-Anforderungen auf den Punkt.

Geltungsbereich

Wie auch die reguläre ISO 10993-1 gilt das FDA Guidance Dokument lediglich für Medizinprodukte, die entweder direkten oder indirekten Kontakt mit dem menschlichen Körper haben. Medizinprodukte ohne Körperkontakt sind vom Geltungsbereich dieses Dokuments ausgenommen. Zusammen mit der harmonisierten Norm EN DIN ISO 10993-1:2021 stellt das 2020er FDA Guidance Dokument zur ISO 10993-1 die relevantesten Richtlinien für Hersteller von Medizinprodukten mit dem Fokus auf internationale Zulassungen dar.

Zielsetzung

Als Hersteller oder Inverkehrbringer von Medizinprodukten sollen Sie mithilfe des Dokuments eine Hilfestellung zur Auslegung der ISO 10993-1 für die Zulassung von Medizinprodukten in den USA bekommen; mögliche Gefährdungen und inakzeptable nachteilige biologische Reaktionen, die sich aus dem Kontakt der Medizinprodukte mit dem menschlichen Körper ergeben, sollen bestimmt werden. Diese Risiken werden im Rahmen eines Risikomanagementprozesses bewertet und soweit möglich durch geeignete Maßnahmen minimiert.

Umsetzung

Soweit es bei der Zielsetzung der ISO 10993-1 für den US-amerikanischen und den internationalen Markt keine Unterschiede gibt, unterscheidet sich die nationale Umsetzung des Standards für die USA teilweise vom internationalen Vorgehen, wie es auch für die CE-Zertifizierung Anwendung findet. Um den regulatorischen Anforderungen sowohl des US-amerikanischen als auch des europäischen Marktes gerecht zu werden, sollten die Hersteller mögliche Unterschiede bereits bei der Planung der Prüfungen berücksichtigen.

Um die Prüfplanung zu vereinfachen und mögliche Probleme mit der Zulassung zu vermeiden, sollte den folgenden Punkten besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden:

Prüfkategorien

Im Unterschied zur allgemeinen ISO 10993-1 werden die Prüfkategorien für die biologischen Endpunkte der Tabelle A1 im Annex A von der FDA teilweise anders ausgewählt. In der Praxis bedeutet das, dass für die FDA-Zulassung zusätzliche Prüfungen für die jeweilige Kategorisierung des betreffenden Medizinprodukts notwendig sein können. So werden z. B. die Endpunkte akute systemische Toxizität, subchronische Toxizität, materialbedingte Pyrogenität, Gentoxizität und Implantation für eine weitergefasste Kategorie von Produkten gefordert.

Anforderungen an die Testdurchführung

Bei der Durchführung von Biokompatibilitätsprüfungen ist zu beachten, dass die FDA teilweise eigene Anforderungen an die Durchführung der Tests hat, die sich von den europäischen Anforderungen unterscheiden. Betroffen sind zum Beispiel die Extraktion der Prüfmaterialien hinsichtlich der verwendeten Extraktionsmedien, der Temperatur oder Extraktionsdauer. Hinzu kommt, dass die Durchführung der einzelnen Prüfungen teilweise bevorzugt nach nationalen Standards und Normen, wie z. B. den ASTM Standards, durchgeführt werden sollen (z. B. dem Standard ASTM F619 “Standard Practice for Extraction of Medical Plastics”). Betroffene Testsysteme sind bspw. Prüfungen auf Sensibilisierung, Hämokompatibilität oder Pyrogenität.

Nutzung von Daten aus Datenbanken und chemischen Analysen

Wie auch die ISO 10993-1 bietet das FDA Guidance Dokument die Möglichkeit, Daten aus chemischen Analysen nach ISO 10993-18 für toxikologische Bewertungen zu nutzen und somit eine datenbasierte Bewertung der Medizinprodukte durchzuführen. Bei ausreichender Datenlage und Begründung besteht somit die Möglichkeit, bestimmte biologische Endpunkte mit dem Verweis auf Bestimmungen zum Tierschutz auszulassen.

Verwendung von Vergleichsmustern

Das FDA Guidance Dokument zur ISO 10993-1 enthält Hinweise zur Verwendung von bereits zugelassenen Vergleichsmustern, die bei der Bewertung neuer Produkte herangezogen werden können; somit kann die Zulassung neuer Produkte vereinfacht werden.

Anforderungen an die Zertifizierung der Prüflabore

Gemäß ISO 10993-1 ist eine Zertifizierung des Prüflabors nach ISO/IEC 17025 oder einem vergleichbaren Standard (z. B. GLP) erforderlich. Im Gegensatz zu CE-Zulassungen in Europa wird der ISO/IEC 17025 Standard nicht von der FDA anerkannt. Eine alleinige Zertifizierung des Prüflabors nach diesem Standard ist daher für eine FDA-Zulassung nicht ausreichend. Stattdessen empfiehlt die FDA alle Laborstudien grundsätzlich nach GLP-Standard durchzuführen.

Abschließende Beurteilung: Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen FDA- und CE-Anforderungen

Im Vergleich zur Originalausgabe der ISO 10993-1 beinhaltet die FDA-Auslegung mehr konkrete Anweisungen und Anleitungen hinsichtlich der Prüfstrategie und der Durchführung der Prüfungen.
Im Gegenzug stellt das originale ISO-Dokument die Einzelheiten zur Planung und Durchführung der Prüfungen stärker in die Verantwortung des Herstellers und der beteiligten Expert*innen.
Als wichtig festzuhalten gilt, dass es keine grundlegenden Unterschiede bezüglich der Zielsetzung und der Gesamtstrategie gibt.

Wer sollte sich mit dem FDA Guidance Dokument zur ISO 10993-1 befassen?

Jeder Hersteller von Medizinprodukten, der eine Zulassung seiner Produkte in den USA plant, kommt definitiv an dem FDA Guidance Dokument nicht vorbei. Aber auch Hersteller, die lediglich auf dem CE-Markt zulassen möchten, können von den im Vergleich zur ISO 10993-1 erweiterten Darstellungen und Auslegungen der Teststrategien profitieren und sich Anregungen für ihre eigene CE-Zulassung holen.

Für Ihre Fragen zu Ihrer Strategie und Planung für die Biologische Sicherheit Ihrer Medizinprodukte stehen mein Team und ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Beste Grüße

Dr. Stefan Sinn
Expert Biological Safety

Telefon    +49 621 123469-10
E-Mail stefan.sinn@metecon.de

Quelle:
https://www.fda.gov/regulatory-information/search-fda-guidance-documents/use-international-standard-iso-10993-1-biological-evaluation-medical-devices-part-1-evaluation-and
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