Ist Ihr Qualitätsmanagement reif für den US-Markt? Anpassung der 21 CFR Part 820 an die ISO 13485: Aus QSR wird QMSR

12.03.2024
Bereits im Dezember 2018 kündigte die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) an, ihre Anforderungen für das Qualitätsmanagement im Bereich Medizinprodukte, die sogenannte Quality System Regulation (QSR), an den internationalen Standard der ISO 13485:2016 anzupassen. Anlässlich des im Februar 2022 veröffentlichten Vorschlags zur Überarbeitung der 21 CFR Part 820 hatten wir Sie bereits über mögliche Änderungen und daraus resultierenden Konsequenzen für Sie als Hersteller informiert. Am 2. Februar 2024 hat die FDA nun die finale Überarbeitung der QSR (21 CFR Part 820) und der 21 CFR Part 4 (Combination products) in Form der Final Rule 89 FR 7496 im Federal Register mit Gültigkeit ab 2. Februar 2026 veröffentlicht.

Bis Mai 2022 war der ursprüngliche Vorschlag der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt worden. Hierbei nahm die FDA auch konkretes Feedback in Form von Fragen und Bedenken entgegen, die ihnen durch Berufsverbände medizinischen Fachpersonals, Verbände der Medizintechnikindustrie, Anwälten und Laien zahlreich übermittelt wurden.

Die Überarbeitung der QSR gipfelt nun in der Veröffentlichung der Final Rule, welche wie im Februar 2022 vorgeschlagen die Qualitätsanforderungen der aktuellen guten Herstellungspraxis (current Good Manufacturing Practice, kurz: cGMP) der Qualitätssystemverordnung (QSR) ändert.

Während der ursprüngliche Verordnungstext 15 Seiten umfasste, scheint die nun vorliegende 101 Seiten umfassende Final Rule zunächst sehr unübersichtlich. Wir führen Sie daher in diesem Blogbeitrag gerne durch den Text, um Ihnen mögliche Berührungsängste zu nehmen.

Welche primären Unterschiede gibt es zur QSR?

Neben der Änderung des Titels in Quality Management System Regulation (QMSR), enthält die überarbeitete 21 CFR Part 820 auch Verweise auf entsprechende Passagen der ISO 13485:2016 und zusätzliche Anforderungen, die zur Verdeutlichung der in der ISO 13485:2016 verwendeten Konzepte dienen sollen.

Revisioniert wurde im Zuge dessen wie erwähnt auch 21 CFR Part 4, wodurch Klarheit bezüglich Anforderungen an das Qualitätsmanagementsystem (QMS) für "combination products" hergestellt werden soll, also für Kombinationsprodukte aus zwei oder mehreren Komponenten wie z. B. aus einem Medizinprodukt und einer Arzneimittelkomponente. Einfluss auf die tatsächlichen Anforderungen der cGMP habe diese Revisionierung laut FDA allerdings nicht.

Welche Gründe nennt die FDA für die Überarbeitung?

Die FDA erklärt, dass sie die Vorteile einer Harmonisierung durchaus erkannt habe und deshalb im Laufe der Zeit bereits eine Reihe an Maßnahmen ergriffen habe, um eine Konsistenz mit Vorschriften anderer Regulierungsbehörden zu fördern.

Durch die jahrelange Zusammenarbeit mit Regulierungsbehörden weltweit und die Mitwirkung an der Veröffentlichung neuer Regularien, wie z.B. dem Medical Device Single Audit Program (MDSAP) des International Medical Device Regulators Forum (IMDRF), stellte die FDA fest, dass die Anforderungen der ISO 13485:2016 einen umfassenden und effektiven Ansatz zur Einrichtung eines Qualitätsmanagementsystems für Medizinprodukte darstellen.

Ziel der Final Rule sei die Vereinfachung und Straffung der Verordnung: Deshalb wurden entweder die Norm-Anforderungen ohne Änderung übernommen oder es wurde eine Anforderung formuliert, die die entsprechende Anforderung der ISO 13485:2016 ersetzt. Nur in wenigen Ausnahmefällen werden Konzepte erklärt oder bestimmte Klauseln der ISO 13485 ergänzt.

Welche signifikanten Änderungen fallen direkt auf?

Die ersten Änderungen fallen bereits im Inhaltsverzeichnis auf. So entfallen in der QMSR ganze Abschnitte: Im Subpart A entfällt §820.5 (Quality System) und wird durch die §§820.7 (Incorporation by reference) und 820.10 (Requirements for a quality management system) ersetzt. Der im Entwurf von 2022 noch geplante Abschnitt 820.15 (Clarification of concepts) fand in der Final Rule hingegen keine Umsetzung und wurde stattdessen teilweise inhaltlich in §820.3 (b) integriert.

Während in weiten Teilen tatsächlich die Inhalte der ISO 13485:2016 übernommen wurden, sind einzelne Unterschiede zur ISO 13485:2016 in den §§820.10, 820.35 (Control of records) und 820.45 (Device labeling and packaging controls) zu finden.

Welche Anforderungen bleiben weiterhin FDA spezifisch?

Scope (§820.1): Der Scope der QSR bleibt auch für die QMSR bestehen. Auch bleibt 7.3 Design und Development der ISO 13485:2016 nur für diejenigen Hersteller von Produkten der Klasse I gültig, die in dieser Bestimmung aufgeführt sind (siehe §820.10 (c)), zusätzlich zu allen Herstellern von Produkten der Klassen II und III. Dies muss von den Herstellern in der Rechtfertigung für Ausschlüsse erklärt werden. Zu den Klasse I Produkten, für die die 7.3 anwendbar bleibt, zählen u.a. mit Computersoftware automatisierte Geräte und alle Produkte, die in der zu §820.10 (c)(2) gehörigen Tabelle aufgelistet werden.

Definitions (§820.3): Die Definitionen aus §820.3 der QSR wurden weitestgehend durch die Definitionen der ISO 13485:2016 ersetzt. Ergänzend zu den Definitionen der ISO 13485:2016 und ISO 9000:2015 (Quality management systems – Fundamentals and vocabulary), verwendet die QMSR weiterführend nun nur noch die Begriffe "component", "finished device", "HCT/P: Human cell, tissue, or cellular or tissue-based product regulated as a device" und "remanufacturer".

Auch gelten für in der QMSR verwendete Begriffe wie z. B. "labeling" (Kennzeichnung) und "device" (Medizinprodukt) grundsätzlich die Regelungen von Section 201(k) des Federal Food, Drug and Cosmetic Act (FFDCA), und nicht die Definitionen der ISO 13485.

Darüber hinaus gelten die folgenden Begriffe und Definitionen und ersetzen die Definitionen für die korrespondierenden Begriffe in ISO 13485:2016 oder ISO 9000:2015:
  • Implantat (Implantable medical device): Definition gemäß 21 CFR Part 860.3
  • Hersteller (Manufacturer): jede Person, die ein fertiges Produkt auslegt, herstellt, fabriziert, zusammensetzt oder bearbeitet. Der Begriff "Hersteller" umfasst u. a. diejenigen, die die Funktionen der Auftragssterilisation, Installation, Neuetikettierung, Wiederaufbereitung, Neuverpackung oder Entwicklung von Spezifikationen ausführen, sowie Erstvertriebshändler ausländischer Unternehmen, die diese Funktionen ausführen.
  • Organisation (Organization) wird die gleiche Bedeutung wie "Hersteller" zugeschrieben.
  • Nacharbeit (Rework) wird definiert, als dass ein nicht konformes Produkt so bearbeitet wird, dass es die spezifizierten Anforderungen in der Medizinprodukteakte (MDF) erfüllt, bevor es zum Vertrieb freigegeben wird.
  • Sicherheit und Leistung (Safety and Performance) haben die Bedeutung von "Sicherheit und Wirksamkeit" (safety and effectiveness) in Abschnitt 0.1 der ISO 13485. Die Formulierung "Sicherheit und Leistung" entbindet den Hersteller nicht von der Verpflichtung, Kontrollen oder andere Maßnahmen durchzuführen, die eine angemessene Gewähr für Sicherheit und Wirksamkeit bieten.

Die Vorschläge vom Februar 2022 für eigene Definitionen für die Begriffe "customer", "design validation", "nonconformity", "process agent", "process validation", "top management" und "verification" wurden nicht in die Final Rule übernommen.

Weil der FDA die ISO 13485 in manchen Aspekten nicht präzise genug ist, sollen in der QMSR zusätzlich aufgenommene Anforderungen den Verlust von Qualitätsanforderungen aus der bestehenden QSR verhindern:

§820.10 Requirements for a quality management system beschreibt die Anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme. Wie bereits im Vorschlag von 2022 präsentiert, bleibt die FDA in einigen Aspekten strenger in ihren Anforderungen als die ISO 13485:2016. Während die ISO 13485:2016 nur für implantierbare Medizinprodukte höhere Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit stellt, fordert die FDA die Befolgung dieser für alle lebenserhaltenden oder -unterstützenden Produkte (Devices that support or sustain life), die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch zu erheblichen Verletzungen führen können.

Auch in §820.35 Control of records formuliert die FDA spezifische Anforderungen und stellt für die Aufzeichnungen zu Beschwerden (Records of complaints), Service Aktivitäten (Records of servicing activities), UDI (Unique Device Identification) und Vertraulichkeit (Confidentiality) strengere Regeln auf.

Das Hinzufügen von §820.45 Device labeling and packaging controls (Gerätekennzeichnung und Verpackungskontrollen) wurde laut FDA vorgeschlagen, da die Aspekte der Kennzeichnung und Verpackung unzufriedenstellend in der ISO 13485 behandelt werden. Aufgrund der Anzahl an Geräterückrufen, die jedes Jahr aufgrund mangelnder Kennzeichnung und Verpackung initiiert werden, soll die Überwachung und Kontrolle von Verpackungen und Etikettierung detaillierter behandelt werden, als es die ISO 13485 beschreibt.

Welche Nachteile bringt die QMSR möglicherweise für Sie mit sich?

Zunächst sind mit neuen regulatorischen Anforderungen meist Kosten verbunden, um Änderungen auszuwerten und anschließend im Unternehmen zu implementieren.

Für kleinere Unternehmen, die häufig auf Beratung von außen angewiesen sind, fallen diese meist stärker ins Gewicht als für internationale Großkonzerne, die auf interne Regulierungsexperten zurückgreifen können.

Welche Vorteile bringt die QMSR für Sie mit sich?

Den Kosten für die Umstellung von QSR auf QMSR steht ein nicht zu unterschätzender Nutzen gegenüber.

Wie von der FDA intendiert entsteht der größte Vorteil durch die erhebliche Aufwandsreduktion in Bezug auf das Risikomanagement:

Während in der ISO 13485 das Risikomanagement in allen Aspekten des Qualitätsmanagements integriert ist und über den gesamten Produktlebenszyklus betrachtet werden muss, lag der Hauptfokus des Risikomanagements in der QSR bisher auf der Herstellung (Designvalidierung). Eine Angleichung des Risikomanagementprozesses reduziert somit für Sie als Hersteller den Aufwand, verschiedene Dokumente (z.B. verschiedene Risikomanagement-Dokumente) für unterschiedliche Zielmärkte erstellen zu müssen und diese dauerhaft auf dem neusten Stand zu halten.

Von der Kostenersparnis durch Schulungen, Zertifizierungen und Aufrechterhaltung mehrerer QM-Systeme und ganz generell durch den Abbau von Doppelarbeit und Redundanzen profitieren natürlich verstärkt multinational tätige Medizintechnik-Hersteller, die bislang mit verschiedenen länderspezifischen Anforderungen konfrontiert waren.

Die FDA führt neben der erheblichen Kostenersparnis und Steigerung der Effizienz für die Medizinprodukte-Industrie, auch den schnelleren Marktzugangs für neu entwickelte Produkte auf.

Wie viel Zeit bleibt Ihnen?

Auch in dieser Hinsicht wurde auf die Rückmeldungen zum Entwurf von 2022 eingegangen und die zunächst für ein Jahr geplante Übergangsfrist auf zwei Jahre verlängert Eine Umsetzung der Final Rule und der QMSR wird somit zum 02. Februar 2026 Pflicht. Bis dahin gelten weiterhin die aktuellen Anforderungen der QSR.

Was muss man nun als deutscher Hersteller beachten, wenn man Produkte in den USA verkaufen möchte?

Wie bereits in unserem vorhergehenden Blogbeitrag erwähnt, bleibt die grundlegende Vorgehensweise zur regulatorischen Erschließung des US-amerikanischen Marktes unverändert.

Die Registrierung von Hersteller und Produkt bei der FDA wird auch weiterhin notwendig sein. Auch müssen weiterhin die Anforderungen des 21 CFR Part 820 im Qualitätsmanagementsystem integriert sein und dies durch FDA-Inspektionen oder ein MDSAP-Audit und dem bei der FDA eingereichten Bericht belegt werden.

Fazit

Das Inverkehrbringen von Medizinprodukten in den USA wird künftig durch die Angleichung der 21 CFR Part 820 an die ISO 13485:2016 erleichtert. Hersteller von Medizinprodukten und von IVD der höheren Risikoklassen, die ihre Produkte auf dem europäischen Markt zulassen, müssen bereits heute ein QMS nach ISO 13485 vorweisen können. Für Sie bedeutet die Angleichung der beiden Qualitätsmanagementsysteme eine Reduktion oftmals unnötiger, doppelter regulatorischer Anforderungen und damit einen geringeren Arbeitsaufwand.

Sie können Ihr QMS in einigen Bereichen verschlanken bzw. bereits bestehende Prozesse nach ISO 13485:2016 unter der QMSR wiederverwenden. Damit wird Ihnen der Zugang zum US-amerikanischen Markt erleichtert und Sie können sich auf die Zulassung Ihrer Produkte fokussieren.

Beachten Sie dennoch, dass es auch zukünftig Unterschiede zwischen der QMSR und der ISO 13485:2016 gibt, die sich somit auch in Ihrem QMS widerspiegeln sollten. Da sich die FDA auch künftig vorbehält, trotz ISO 13485-Zertifizierung, Inspektionen durchzuführen, sollten Sie als Hersteller auch darauf vorbereitet sein.

Wie können wir helfen?

Gerne sind wir Ihnen behilflich, Hürden in Ihrem Qualitätsmanagement zu identifizieren und mögliche Lücken zu schließen. Greifen Sie auf unsere langjährige Erfahrung im Bereich Qualitätsmanagement International zurück und kontaktieren Sie uns. In einem ersten unverbindlichen Gespräch finden wir gemeinsam mit Ihnen heraus, welche Möglichkeiten es gibt, Ihr Ziel schnell zu erreichen.

Laura Beer
Laura Beer
Quality Management
& Technical Documentation
laura.beer@metecon.de
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