Post-Market Surveillance (PMS) in Großbritannien ab Sommer 2025: Was Hersteller jetzt wissen und tun müssen

29.04.2025
Textbild Post-Market Surveillance in Großbritannien: Was ändert sich 2025? von Metecon GmbH
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Hersteller von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika (IVD), die ihre Produkte in Großbritannien vertreiben, müssen sich auf neue regulatorische Pflichten einstellen: Ab dem 16. Juni 2025 gelten neue Anforderungen an die Post-Market Surveillance (PMS). In diesem Beitrag erfahren Sie, welche konkreten Änderungen auf Sie zukommen, wie Sie Ihr PMS-System anpassen müssen und wie Sie Synergien mit bestehenden EU-Prozessen (MDR, IVDR) nutzen können - damit Sie regulatorisch auf der sicheren Seite sind.

Während die Europäische Union (EU) mit der Medical Device Regulation (Verordnung (EU) 2017/745 (MDR)) und der In Vitro Diagnostic Medical Device Regulation (Verordnung (EU) 2017/746 (IVDR)) einheitliche Regelwerke geschaffen hat, geht Großbritannien seit dem Brexit regulatorisch eigene Wege. Nun steht eine bedeutende Neuerung an: Am 16. Juni 2025 treten verschärfte Anforderungen für Post-Market Surveillance in Kraft. Diese Änderungen sind darauf ausgelegt, die Überwachung von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika (IVDs) nach dem Inverkehrbringen in Großbritannien zu strukturieren und an aktuelle regulatorische Standards anzupassen.

Doch was genau ändert sich, welche Fristen sind relevant und wie können Unternehmen eine praktikable Strategie für die Umsetzung der neuen Anforderungen entwickeln? Dieser Artikel gibt einen strukturierten Überblick über die wichtigsten Neuerungen und zeigt auf, welche Schritte jetzt erforderlich sind.

Die neue regulatorische Basis für PMS in Großbritannien

Nach dem Brexit hat Großbritannien seine Medical Devices Regulations 2002 zunächst unverändert beibehalten. Doch mit den wachsenden Anforderungen an die Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten und IVDs wurde deutlich, dass eine Modernisierung der Gesetzgebung notwendig ist. Im Zuge dessen wurde eine schrittweise Überarbeitung der bestehenden Gesetzgebung durch die britische Regulierungsbehörde Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) eingeleitet. Ein zentraler Bestandteil dieser Überarbeitung ist der neue Abschnitt Part 4A, der die rechtlichen Anforderungen an das PMS-System in Großbritannien definiert.

Achtung: Die Regelungen beziehen sich ausschließlich auf Großbritannien (England, Schottland und Wales). Nordirland unterliegt weiterhin den EU-Vorgaben durch das Protocol on Ireland/Northern Ireland (Northern Ireland Protocol (NIP)) und folgt somit der MDR und der IVDR. Dies wird im Beitrag nicht separat behandelt.

Die neuen PMS-Vorgaben treten offiziell am 16. Juni 2025 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt gelten sie für:
  • Alle Medizinprodukte und IVDs mit UKCA- (UK Conformity Assessed-)Kennzeichnung
  • CE-gekennzeichnete Produkte unter MDR-/IVDR, die in Großbritannien bis zum 30. Juni 2030 weiterhin verkauft werden dürfen
Produkte, die ausschließlich in Nordirland vertrieben werden oder bereits vor dem 16. Juni 2025 vom britischen Markt genommen werden, sind nicht betroffen.

Die neuen Anforderungen orientieren sich inhaltlich an den EU-Vorgaben, weichen aber in wichtigen Details wie den Meldefristen, der Dokumentationsstruktur und den spezifischen Prozessen für PMS ab. Hersteller, die sowohl auf dem britischen als auch auf dem EU-Markt (oder im gesamten Vereinigten Königreich) tätig sind, stehen daher vor der Herausforderung, ein PMS-System zu etablieren, das beiden regulatorischen Anforderungen gerecht wird.

Die zentralen Anforderungen an PMS in Großbritannien – und Parallelen zu MDR und IVDR

Mit der Einführung von Part 4A setzt Großbritannien neue Maßstäbe für das PMS-System, das sicherstellen soll, dass Medizinprodukte und IVDs über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg sicher und leistungsfähig bleiben.

Obwohl Großbritannien kein komplett neues regulatorisches System einführt, werden nun erstmals die PMS-Anforderungen klar strukturiert und mit detaillierten Verpflichtungen für Hersteller untermauert. Ein genauer Blick in die neuen Anforderungen zeigt, welche Verpflichtungen sich für Hersteller ergeben und wo Synergien mit MDR und IVDR genutzt werden können.

Verpflichtendes PMS-System und PMS-Plan

Hersteller müssen ein strukturiertes PMS-System einführen, das nicht nur alle sicherheits- und leistungsbezogenen Daten erfasst, sondern auch eine kontinuierliche Bewertung der Produktleistung und möglicher Risiken über die gesamte Lebensdauer des Produkts gewährleistet. Das System muss durch einen PMS-Plan gestützt werden, der die Methoden zur Datensammlung, Risikobewertung und Meldung von Sicherheitsrisiken festlegt.

Diese Anforderungen ähneln den Vorgaben der MDR und der IVDR, sodass Unternehmen mit einem etablierten PMS-System oft nur Anpassungen an britische Spezifikationen vornehmen müssen.

Neue Berichtspflichten und das standardisierte PSUR-Format

Ein zentrales Element der neuen Anforderungen ist die regelmäßige Berichterstattung in Form von Periodic Safety Update Reports (PSURs) und PMS-Reports.

Je nach Risikoklasse gelten folgende Berichtspflichten:
  • Produkte der niedrigeren Risikoklassen (Klasse I, A, B): PMS-Report alle 3 Jahre.
  • Klasse IIa-Produkte: PSUR alle 2 Jahre.
  • Höhere Risikoklassen (Klasse IIb, III, C, D, implantierbare Produkte): jährlicher PSUR.
Für die Erstellung von PSURs gibt die MHRA den Herstellern ein standardisiertes Format an die Hand, welches sich inhaltlich stark an der EU-Guidance zum PSUR (MDCG 2022-21) anlehnt. Inhaltlich und strukturell bestehen viele Gemeinsamkeiten mit der EU-Leitlinie, jedoch gibt es einige spezifische Unterschiede:
  • Regionale Datentrennung: Die MHRA fordert eine gesonderte regionale Aufschlüsselung für Daten des Vereinigten Königreichs (UK), wobei eine Unterteilung nach Großbritannien und Nordirland möglich ist.
  • Stärkerer Fokus auf Real-World-Data (RWD): die MHRA legt in ihrer Guidance besonderen Wert auf die Inklusion spezifischer Datenquellen zur Sicherheit und Leistung des Produkts, die über klassische PMCF-Studien hinausgehen.
Ein Vorteil für Hersteller, die bereits unter MDR/IVDR arbeiten, liegt in der möglichen Harmonisierung der Datensammlung und Analyseprozesse, um die Anforderungen beider Systeme effizient zu erfüllen.

Meldepflichten und Trendanalysen

Die neuen britischen Vorgaben schreiben erweitere Anforderungen für die Meldung schwerwiegender Vorkommnisse und Trends vor. Die Meldefristen sind in der Europäischen Union und in Großbritannien grundsätzlich gleich, aber die Zuständigkeiten sind unterschiedlich, da die EU-Behörden und die MHRA getrennt arbeiten. Unternehmen mit Produkten in beiden Märkten (oder im gesamten Vereinigten Königreich) müssen damit sicherstellen, dass ihr PMS-System in der Lage ist, unterschiedliche Meldeprozesse zu koordinieren, wenn eine separate Meldung an das MHRA notwendig ist - selbst wenn das Vorkommnis in der EU aufgetreten ist und dort bereits an die zuständige nationale Behörde gemeldet wurde.

Zusätzlich müssen Hersteller ein Trend-Reporting implementieren, das signifikante Veränderungen in der Häufigkeit oder Schwere von Vorkommnissen erkennt und die MHRA darüber informiert. Auch diese Anforderung ist ähnlich zur MDR und IVDR, sodass bestehende Systeme mit entsprechenden Anpassungen weiter genutzt werden können.

Strategische Ansätze zur Umsetzung – Wie lassen sich Synergien zwischen EU und GB nutzen?

Mit den neuen PMS-Anforderungen stellt sich für viele Unternehmen die Frage, wie sie ihre bestehenden Systeme effizient anpassen können. Eine vollständige Trennung der Dokumentationen für die EU und Großbritannien bedeutet erheblichen Aufwand, während eine vollständige Harmonisierung möglicherweise nicht in allen Fällen praktikabel ist.

Die gute Nachricht: Durch die Ähnlichkeit der britischen und europäischen PMS-Anforderungen gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Prozesse zu optimieren, indem PMS-Dokumentation, Berichtszyklen und Datensammlung zwischen den beiden Regulierungsrahmen intelligent abgestimmt werden.

Welche Strategie dabei die sinnvollste ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab – von der Größe des Produktportfolios bis hin zur internen Ressourcenverfügbarkeit. Entscheidend ist, dass Hersteller sich frühzeitig mit der Anpassung befassen, um ab Juni 2025 keine regulatorischen Risiken einzugehen.

Stichtag 16. Juni 2025 – Welche Dokumente müssen zu diesem Datum vorhanden sein?

Ab dem 16. Juni 2025 sollten Hersteller, die Produkt in Großbritannien vertreiben, über ein PMS-System und einen PMS-Plan für ihre Produkte verfügen. Zusätzlich sind Prozesse für Trend-Reporting und Vigilanz erforderlich, um sicherheitsrelevante Daten systematisch zu erfassen und zu melden.

Eine rückwirkende Erstellung von PMS-Reports und PSURs ist nicht erforderlich, aber die Datensammlung muss ab dem Stichtag beginnen, damit die ersten Berichte entsprechend ihrer Berichtspflicht in den Folgejahren erstellt werden können.

Jetzt aktiv werden, um regulatorische Sicherheit zu gewährleisten

Die neuen PMS-Anforderungen für Großbritannien treten am 16. Juni 2025 in Kraft und erfordern von Herstellern klare Strukturen, abgestimmte Prozesse und eine belastbare Dokumentation. Die Parallelen zu MDR und IVDR bieten dabei Chancen zur Harmonisierung, doch die spezifischen Unterschiede - insbesondere bei den Meldepflichten und der regionalen Aufbereitung der Daten - machen eine strategische Planung unverzichtbar.

Unternehmen sollten sich jetzt mit folgenden Fragen auseinandersetzen:
  • Welche Anpassungen sind notwendig, um die neuen britischen Anforderungen zu erfüllen?
  • Wo gibt es Synergien zwischen dem PMS-Prozess in der EU und in Großbritannien?
  • Welche Dokumente und Prozesse müssen angepasst werden?
Die Antworten sind individuell - doch je früher Sie handeln, desto besser können Sie regulatorische Risiken vermeiden und Ihre internen Abläufe verbessern.

Profitieren Sie von unserer Expertise! Erfahren Sie, wie wir Ihr PMS-System optimal an die neuen Anforderungen in Großbritannien ausrichten und Sie effizient durch die Umsetzung begleiten können. Lassen Sie uns ins Gespräch kommen.
Claudia Möller
Claudia Möller
Regulatory Affairs
Post-Market Surveillance Expert
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