Harmonisierung der Vigilanz-Berichterstattung: Ein Leitfaden zu den Device Specific Vigilance Guidances (DSVGs) der MDCG

08.04.2024
Im Januar 2024 wurden die Dokumente zur Device Specific Vigilance Guidance (DSVG) der Medical Device Coordination Group (MDCG) veröffentlicht, darunter sowohl eine Vorlage (MDCG 2024-1 / DSVG 00) als auch Guidances für vier verschiedene Arten von Medizinprodukten:
  • Geräte für Herzablation (DSVG 01 on Cardiac Ablation devices (MDCG 2024-1-1)),
  • Koronarstents und zugehörige Applikationssysteme (DSVG 02 on Coronary Stents and associated delivery systems (MDCG 2024-1-2)),
  • kardial implantierbare elektronische Geräte und dazugehörige Elektroden (DSVG 03 on Cardiac implantable electronic devices and their leads (CIEDs) (MDCG 2024-1-3)) sowie
  • Brustimplantate (DSVG 04 on Breast Implants (MDCG 2024-1-4)).

Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über die Inhalte dieser DSVGs und erläutern, warum auch Hersteller anderer Medizinprodukte sich mit diesen Dokumenten vertraut machen sollten.

Gut zu wissen: Es gab bereits DSVGs für die Anwendung der früheren Medizinprodukterichtlinie (MDD) und der Richtlinie über aktive implantierbare medizinische Geräte (AIMDD). Da diese MDD/AIMDD-DSVGs nicht auf die MDR anwendbar sind, ist die Aktualisierung der DSVGs von der MDD/AIMDD auf die Medical Device Regulation (Verordnung (EU) 2017/745 (MDR)) eine begrüßenswerte Ergänzung zur wachsenden Zahl veröffentlichter MDCG-Dokumente.

Wie sich die DSVG-Vorlage verändert hat

Bei der Betrachtung der MDR-DSVGs liegt es nahe, sie mit den MDD/AIMDD-DSVGs zu vergleichen: Was bleibt (ähnlich)? Was ändert sich und wie?

Grundsätzlich ist die MDR-DSVG-Vorlage der MDD/AIMDD-DSVG-Vorlage sehr ähnlich. In beiden Vorlagen wird erklärt, dass die Leitlinien zur Umsetzung der Anforderungen und zur Harmonisierung der Vigilanz-Berichterstattung beitragen, diese Anforderungen jedoch nicht ersetzen oder erweitern. Die DSVG-Vorlagen für MDR und MDD/AIMDD sind außerdem ähnlich strukturiert, und beide Vorlagen enthalten eine Tabelle mit den Kombinationen klinischer Symptome oder Zustände und Probleme mit Medizinprodukten, die entweder zur Meldung eines schwerwiegenden Vorkommnisses (MDR)/Vorkommnisses (MDD/AIMDD), zur Aufnahme in den Periodic Summary Report (PSR) oder zur Aufnahme in die Trendberichterstattung führen.

Unter der MDD/AIMDD war die Trendberichterstattung Teil des MEDDEV 2.12-1 Rev 8, bevor sie in ihrer aktuellen Form in die MDR aufgenommen wurde. Gemäß Artikel 87 (9) der MDR kann ein Hersteller von Medizinprodukten für ähnliche schwerwiegende Vorkommnisse, die bei demselben Gerät oder Gerätetyp auftreten und bei denen die Ursache identifiziert wurde, eine Maßnahme zur Korrektur der Produktsicherheit durchgeführt wurde oder die Vorkommnisse häufig und gut dokumentiert sind, einen Periodic Summary Report (PSR) verwenden. Das geht aber nur, sofern eine Vereinbarung über das Format, den Inhalt und die Häufigkeit dieser Meldung mit der koordinierenden zuständigen Behörde in Absprache mit anderen zuständigen Behörden besteht. Wenn ein Hersteller keine Vereinbarung über einen PSR getroffen hat, müssen diese stattdessen als einzelne schwerwiegende Vorkommnisse gemeldet werden.

Was hat sich für spezifische Medizinprodukte geändert?

Basierend auf dem Vergleich der DSVG-Vorlagen für die MDR und die MDD/AIMDD kann man davon ausgehen, dass diejenigen Hersteller von Medizinprodukten, die mit den alten DSVG-Vorlagen für MDD/AIMDD vertraut waren, den Übergang zur DSVG-Vorlage für die MDR wahrscheinlich recht unkompliziert finden werden.

Insulininfusionspumpen und integrierte Messsysteme

Es gibt jedoch auch Unterschiede zwischen den MDR- und MDD/AIMDD-DSVGs für spezifische Medizinprodukte. Zunächst einmal: Es existieren nur vier MDR-bezogene DSVGs, aber es gab fünf MDD/AIMDD-DSVGs. Bisher hat die Medical Device Coordination Group (MDCG) für Insulininfusionspumpen und integrierte Messsysteme noch keine MDR-DSVG veröffentlicht, und die Liste der laufenden MDCG-Dokumente deutet auch nicht darauf hin, dass diese oder andere DSVGs derzeit in Vorbereitung sind. Dies bedeutet, dass Hersteller von Insulininfusionspumpen und integrierten Messsystemen bewerten müssen, ob ihre bisherige Umsetzung des MDD-DSVG auch mit der MDR konform ist, und ggf. erforderliche Änderungen vornehmen müssen, um sich an die MDR anzupassen.

Ein genauerer Blick auf kardial implantierbare elektronische Geräte (CIEDs)

Wenn wir uns nun genauer das MDR-DSVG für kardial implantierbare elektronische Geräte (CIEDs) ansehen, ist eine Änderung sofort zu erkennen: die Verwendung von Terminologien für die kategorisierte Meldung von unerwünschten Ereignissen (categorized adverse event reporting), wie sie vom International Device Regulators Forum (IMDRF) standardisiert wurden, genauer gesagt die Verwendung der entsprechenden Codes aus IMDRF-Anhang A (medical device problem) und Anhang E (health effects – clinical signs and symptoms or conditions) im MDR-DSVG (MDCG 2024-1-3). Dies ist ein weiteres Beispiel, bei dem die MDCG die IMDRF-Terminologien für unerwünschte Ereignisse, die "adverse event terminology" (AET) in seinen Leitlinien aufgenommen hat.

Die IMDRF "adverse event terminology" wurde bereits in den zuletzt veröffentlichten MDD/AIMDD-DSVGs aus dem Jahr 2021 verwendet, aber keines der anderen MDD/AIMDD-DSVGs verwendete IMDRF-Codes für unerwünschte Ereignisse. Die Verwendung dieser Codes standardisiert Informationen und erleichtert Ihnen die Umsetzung der DSVGs – eine gute Nachricht! Bei den CIEDs sehen wir ein Beispiel, bei dem ein bestimmtes Problem mit dem Medizinprodukt je nach zugehörigem klinischem Symptom oder Zustand entweder zu einem schwerwiegenden Vorkommnis oder zur Aufnahme in die Trendberichterstattung führen kann.

Speziell sollte das Medizinprodukt-spezifische Problem „loss of capture/stimulation postimplant resolved by repositioning (to address a threshold rise)" (Verlust der Erfassung/Stimulation nach der Implantation, behoben durch Neupositionierung (um einen Schwellenwertanstieg zu adressieren)" (A0701)
  • als schwerwiegendes Vorkommnis gemeldet werden, wenn er zu anhaltender Asystolie führt (E060101) (es sei denn, Informationen oder die Bewertung des Geräts deuten darauf hin, dass das Problem nicht gerätebezogen ist),
  • aber zum Zeitpunkt eines statistisch signifikanten Anstiegs der Häufigkeit oder Schwere von Vorkommnissen gemeldet werden (Trendberichterstattung gemäß Artikel 88 der MDR), wenn es sich bei dem klinischen Symptom oder Zustand stattdessen um eine Taschen- oder andere gerätebedingte Infektion handelt (E1906).

Beim direkten Vergleich der MDR-DSVG und der AIMDD-DSVG für CIEDs hat sich einiges getan: Hier hat die MDR-DSVG die Liste der klinischen Symptome oder Zustände, die in Verbindung mit spezifischen Medizinprodukt-bezogenen Problemen individuell gemeldet werden müssen, von vier auf elf erweitert.

Dennoch ist es sehr wichtig zu beachten, dass eine spezifische DSVG nicht als vollständige Auflistung betrachtet werden sollte. Es liegt weiterhin in der Verantwortung des Herstellers sicherzustellen, dass die MDR-Vigilanzanforderungen erfüllt werden.

Warum man verfügbare DSVGs implementieren sollte

Auch wenn die DSVGs nicht erschöpfend sind, schaffen sie doch Klarheit, und es ist für die Hersteller dieser Medizinprodukte von Vorteil, die DSVGs umzusetzen, sobald sie verfügbar sind. Mit der Verwendung der IMDRF "adverse event terminology" in jeder der MDR-DSVG ist klar, dass es für die Hersteller von Vorteil ist, zumindest einige Codes dieser IMDRF-Terminologie für unerwünschte Ereignisse früh genug in ihrem Vigilanz-Arbeitsablauf zuzuweisen, um eine effektive Nutzung der DSVGs zu ermöglichen. Daher kann der Zeitpunkt, zu dem die verschiedenen IMDRF-Codes zugewiesen werden, eine strategische Entscheidung bei der Erfüllung der Vigilanzanforderungen gemäß der MDR sein.

Ein Wermutstropfen: Leider stehen DSVG für die MDR, obwohl sie nützlich sind, nur für eine begrenzte Anzahl von Produkten zur Verfügung. Dies sollte Hersteller anderer Medizinprodukte jedoch nicht daran hindern, einen ähnlichen Ansatz zu verwenden. So können Sie beispielsweise Kombinationen von Problemen mit Medizinprodukten und klinischen Symptomen oder Zuständen ermitteln, die als schwerwiegende Vorkommnisse gemeldet werden müssen und die sich für die Trendberichterstattung eignen könnten. In diesem Zusammenhang sollten Sie sicherstellen, dass Sie die Vigilanzanforderungen der MDR stets in vollem Umfang einhalten. Auch wenn diese Liste nicht erschöpfend ist, können diese Leitlinien, genau wie die MDR-DSVGs, bei der Handhabung häufig auftretender Situationen helfen.

Im Allgemeinen sind die MDR-DSVGs nützliche Instrumente für betroffene Hersteller von Medizinprodukten. Aber selbst mit diesen Leitlinien müssen wichtige Entscheidungen über die strategische Verwendung von IMDRF-Codes bei Vigilanz-Aktivitäten gefällt werden. Eine strukturierte Planung und deren effiziente Umsetzung können wertvolle Zeit sparen und eine konsistente Reaktion gewährleisten.

Sie haben sich bis hierher durchgebissen? Dann scheint das Thema für Sie relevant zu sein. Melden Sie sich bei uns! Wir diskutieren Ihre Fragen zu Ihren MDR-bezogenen Vigilanz- oder Post-Market-Surveillance-Verfahren mit Ihnen, damit Sie schnell zu einer Lösung kommen. Wir freuen uns auf das Gespräch mit Ihnen!
Dr. Jennifer Dean
Dr. Jennifer Dean
Medical Device Expert
Regulatory Affairs & Technical Documentation


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