Digitale Diagnostik: Wie KI und Big Data das IVD-Feld revolutionieren

01.07.2025
Textbild "KI in der Diagnostik - Was Hersteller jetzt wissen müssen" von Metecon GmbH
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Digitale Diagnostika, insbesondere solche, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren, eröffnen enorme Chancen für präzisere, schnellere und personalisierte Diagnosen. Doch der Weg von der Idee zum marktreifen Medizinprodukt ist komplex: Hersteller von In-vitro-Diagnostika (IVD) stehen vor großen regulatorischen Herausforderungen, wenn sie KI-basierte Softwarelösungen im Rahmen der In Vitro Diagnostic Medical Device Regulation (Verordnung (EU) 2017/746 (IVDR)) zur Zulassung bringen wollen. In diesem Beitrag geben wir Ihnen einen praxisnahen Überblick über die regulatorischen Anforderungen an digitale Diagnostika und zeigen, wie Sie typische Fallstricke vermeiden – damit Sie Ihre digitale Lösung erfolgreich und rechtskonform auf den Markt bringen.

Einsatzmöglichkeiten von KI in der Auswertung diagnostischer Tests

Keine Frage: Künstliche Intelligenz eröffnet neue Dimensionen in der Diagnostik: Algorithmen sind in der Lage, große Datenmengen in Sekunden auszuwerten, Muster zu erkennen und Prognosen zu treffen. Dabei sind sie gegenüber menschlichen Analysen oft überlegen, sowohl hinsichtlich der Geschwindigkeit, in der sie zur Verfügung stehen, als auch in Bezug auf die Menge an verarbeiteten, d.h. berücksichtigten Daten. Nicht zuletzt beherrschen sie einen sehr hohen Komplexitätsgrad mit Leichtigkeit.

Bei In-vitro-Diagnostika werden KI-Systeme insbesondere eingesetzt bei
  • bildgebenden Verfahren (z. B. bei Blutausstrichen oder histologischen Schnitten),
  • Genomanalysen sowie bei der
  • Integration multipler Laborparameter.
Beispiele aus der Praxis sind z. B.:
  • PathAI Diagnostics von PathAI (USA)
    KI-gestützte Auswertung digitaler Pathologie-Schnitte zur Krebsdiagnose
    (Automatisierte Tumorerkennung bei Brust- und Darmkrebs)
  • SOPHiA DDM™ Platform von SOPHiA GENETICS (Schweiz, Frankreich, USA)
    Cloud-Plattform für molekulargenetische Diagnostik
    (KI-gestützte Interpretation großer NGS-Datensätze)
  • Freenome Platform von Freenome (USA)
    Blutbasierte Früherkennung von Krebserkrankungen
    (Multiomics-Ansatz mit KI zur Detektion früher Stadien)
  • PD-L1 CDx – Kooperation von PathAI (USA) und Roche Diagnostics (Schweiz)
    KI-Auswertung der PD-L1-Expression
    (Standardisierte Bewertung für Immuntherapie-Entscheidungen)
  • DeepDx-Lab von DeepDx (Südkorea)
    Automatische Auswertung hämatologischer Laborparameter
    (Früherkennung hämatologischer Anomalien per KI)
Hinweis: Diese Beispiele dienen ausschließlich der Veranschaulichung aktueller Entwicklungen im Bereich digitaler In-vitro-Diagnostika. Sie stellen keine Bewertung, Empfehlung oder Validierung durch Metecon dar. Angaben zu Produkten, Herstellern und Anwendungen basieren auf öffentlich zugänglichen Informationen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Aufgrund dynamischer regulatorischer und technologischer Entwicklungen können sich diese Informationen jederzeit ändern.

Auch bei der Qualitätssicherung - etwa bei der Detektion von Geräteabweichungen - spielen Machine-Learning-Verfahren zunehmend eine Rolle. Hierbei können bspw. KI-Algorithmen
  • per Plausibilitäts- und Cross-Checks prüfen, ob Messergebnisse logisch und im erwarteten Kontext sind (z. B. keine biologisch unmöglichen Werte),
  • durch eine Auswertung von Maschinen- und Sensordaten zur Früherkennung technischer Probleme bei Analysegeräten beitragen, indem schleichende Pipettierfehler durch Muster im Verbrauchsmaterial oder Messzeitabweichungen erkannt werden,
  • systematisch die Leistung neuer Reagenzchargen im Vergleich zu früheren analysieren, um so Konsistenz und Stabilität von Testergebnissen sicherzustellen oder
  • QS-Daten analysieren und auffällige Trends, Abweichungen oder fehlende Dokumentationen entdecken.
Damit wird KI nicht nur zum Diagnostik-, sondern auch zum Effizienztreiber.

Regulatorische Anforderungen für KI-basierte IVD-Produkte

Die regulatorische Bewertung von KI in IVD-Systemen stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. In der EU gelten für solche Systeme die Anforderungen der IVDR in Kombination mit dem europäische AI Act (Verordnung (EU) 2024/1689), sofern es sich um ein Hochrisiko-KI-System handelt, was bei den meisten der zuvor angeführten Anwendungsbeispielen der Fall ist.

Zu berücksichtigen sind Aspekte, wie
  • Nachvollziehbarkeit der Algorithmen,
  • Robustheit des Trainingsdatensatzes,
  • Bias-Vermeidung,
  • systematisches Risikomanagement,
  • Protokollierung zur Rückverfolgbarkeit der Ergebnisse,
  • Klare und angemessene Informationen für den Einsatz sowie
  • Geeignete Maßnahmen der menschlichen Aufsicht.
Auch die Post-Market Surveillance (PMS) erhält eine erweiterte Bedeutung, da beide Verordnungen dies fordern. Neben der Beobachtung des eigenen und ähnlicher Vergleichsprodukte im Markt, muss vor allem auf den sich rasant entwickelnden Stand der (KI-)Technik geachtet werden, und welche Auswirkungen dies auf die Sicherheit und Leistungsfähigkeit der Medizinprodukte hat.

Was Sie als Hersteller oder Anbieter von IVD-Medizinprodukten mit KI u. a. beachten sollten:
  • Bildung eines interdisziplinären Projektteams (Management, Legal, Regulatory, IT, QM, R&D),
  • Gap-Analyse zwischen AI Act und IVDR bzgl. QM-Prozessen und Technischer Dokumentation,
  • Datenquellen auf Qualität, Repräsentativität und Bias überprüfen, Transparenzanalyse erstellen,
  • Mitarbeitende zu AI Act-spezifischen Pflichten schulen, Up-to-Date bleiben,
  • Anforderungen an den Datenschutz und die Cybersecurity frühzeitig mit einbeziehen,
  • Kontinuierlichen Post-Market Surveillance gesamtheitlich planen bzw. erweitern,
  • Prozesse für Menschliche Aufsicht (Human Oversight) etablieren und
  • Frühzeitig KI-Konformitätsbewertungsverfahren mit Benannter Stelle klären - diese ggf. rechtzeitig wechseln.

Digitale Biomarker und Companion Diagnostics

Digitale Biomarker im IVD-Bereich basieren auf der computergestützten Erfassung, Analyse und Interpretation biologischer Signale, die aus Laborparametern, molekularen Profilen oder hochsensitiven Assays gewonnen werden. Durch den Einsatz von KI und Machine Learning werden komplexe Muster aus multiplen Datenquellen in aussagekräftige diagnostische oder prognostische Scores übersetzt – oft schneller und präziser als mit klassischen Methoden. Ihre besondere Bedeutung liegt in der personalisierten Medizin, wo sie fundierte Entscheidungen über Diagnose, Therapie und Monitoring ermöglichen und gleichzeitig zur Entlastung klinischer Prozesse beitragen.

Hier einige Produktbeispiele:
  • MeMed BV® von MeMed Diagnostics (Israel)
    Differenzierung zwischen bakteriellen und viralen Infektionen durch KI-gestützte Analyse mehrerer Laborparameter
    (Kombination dreier Biomarker – TRAIL, IP-10 und CRP – aus einem Bluttest als Input für ein KI-gestütztes Entscheidungsmodell
  • PancreaSure von IMMUNOVIA AB (Schweden)
    Früherkennung von Bauchspeicheldrüsenkrebs
    (KI-Auswertung eines Antikörper-Multiplex-Profils als digitaler Biomarker)
  • Galleri multi cancer early detection test von GRAIL, Inc. (USA)
    Multi-Krebs-Früherkennung über zirkulierende DANN
    (Digitaler Biomarker aus DANN kombiniert mit ML-Modellen)
  • NF-Light® - Neurofilament Light Chain Assay von Quanterix (USA)
    Früherkennung neurodegenerativer Erkrankungen (z. B. MS, Alzheimer)
    (Ultrasensitiver digitaler Biomarker auf Simoa®-Plattform zur genauen Messung von NfL-Konzentrationen in Serum, Plasma- oder Liquorproben
Companion Diagnostics (CDx) aus dem IVD-Bereich dienen der präzisen Identifikation von Patienten, die auf eine bestimmte Therapie voraussichtlich ansprechen oder bei denen ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen besteht – basierend auf spezifischen molekularen oder genetischen Biomarkern. Sie funktionieren durch die gezielte Analyse von Biomarkern im Blut, Gewebe oder anderen Proben mittels validierter IVD-Tests (siehe Abschnitt zuvor), deren Ergebnisse eine direkte therapeutische Relevanz besitzen.

Companion Diagnostics (CDx) profitieren ebenfalls von KI: Sie helfen, aus genetischen Daten prädiktive Signaturen für das Ansprechen auf eine Therapie zu identifizieren. Beispiele sind AI-Plattformen zur Analyse von Tumorprofilen, die in der Onkologie bereits eingesetzt werden. Die Kombination aus KI und IVD erschließt somit neue diagnostische und therapeutische Horizonte.

Im Folgenden auch hierfür einige Produktbeispiele:
  • cobas® EGFR-Mutation Test v2 von Roche Diagnostics (Schweiz)
    Identifikation von EGFR-Mutationen bei nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) zur Therapie mit EGFR-Inhibitoren
    (PCR-basierter Test auf DNA aus Plasma oder Gewebe)
  • therascreen KRAS RCQ von Qiagen N.V. (Niederlande)
    Bestimmung von KRAS-Mutationen bei kolorektalem Karzinom
    (Real-time PCR zur Auswahl geeigneter Anti-EGFR-Therapien)
  • Oncomine Dx Target Test von Thermo Fisher Scientific Inc. (USA)
    Multigen-Test zur Detektion relevanter Mutationen bei nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC)
    (Next-generation sequencing (NGS)-basierter CDx-Test mit multiplen FDA-Zulassungen)
  • MSI Analysis System von Promega GmbH
    Mikrosatelliteninstabilität (MSI) bei soliden Tumoren zur Immuncheckpoint-Inhibitor-Therapie
    (PCR-basierter Test zur Detektion einer defekten DANN-Mismatch-Reparatur (dMMR)

Auswirkungen auf klinische Entscheidungsprozesse

Die Integration von KI in die IVD verändert den klinischen Workflow grundlegend. Ärzte erhalten keine statischen Einzelbefunde mehr, sondern datengetriebene, oft prädiktive Entscheidungshilfen. Das kann die Diagnosesicherheit erhöhen, Therapieentscheidungen beschleunigen und die Patientensicherheit verbessern. Gleichzeitig erfordert der Umgang mit solchen Systemen neue Kompetenzen – sowohl technischer als auch ethischer Natur.

Wichtig ist auch: KI soll die ärztliche Entscheidung nicht ersetzen, sondern sinnvoll unterstützen. Akzeptanz entsteht vor allem dann, wenn Transparenz, Validität und klinischer Nutzen der eingesetzten Tools klar kommuniziert werden.

Wie Sie Ihr KI-gestütztes IVD auf die Zulassung vorbereiten

Viele Hersteller digitaler, KI-gestützter IVD, vor allem Startups und forschungsnahe Unternehmen, stehen vor der Herausforderung, ihre innovativen Produkte regulatorisch sauber aufzustellen. Oft fehlen etablierte Prozesse gemäß den Anforderungen der IVDR oder ein relevanter Umgang mit neuen Normen zu Software, KI und Cybersecurity. Selbst bei etablierten Unternehmen zeigt sich häufig Handlungsbedarf bei der Aktualisierung bestehender Entwicklungs- und QM-Prozesse, da bestehende Produkte häufig noch nicht nach der IVDR zugelassen sind.

Um diese regulatorischen Lücken systematisch zu identifizieren und zu schließen, empfiehlt sich eine gezielte Gap-Analyse der bereits etablierten Prozesse auf Basis zentraler Normen wie
  • IEC 62304 (Medical device software - Software lifecycle processes),
  • IEC 82304 1 (Health software - Part 1: General requirements for product safety),
  • IEC 81001 5 1 (Health software and health IT systems safety, effectiveness and security: Part 5-1: Security – Activities in the product lifecycle),
  • ISO/IEC 42001 (Information technology – Artificial intelligence – Management system), etc.
Nur so lassen sich robuste, auditfähige Prozesse schaffen – als Grundlage für einen erfolgreichen Marktzugang sowohl unter der IVDR als auch unter dem EU AI Act.

Doch kein Projekt ist zu komplex. Metecon unterstützt Sie mit tiefgreifender Expertise im Bereich Software und KI-basierter Medizinprodukte und In-vitro Diagnostika. Ob Prozessaufbau, Dokumentation oder Auditvorbereitung: Wir begleiten Sie vom regulatorischen Status quo bis zum erfolgreichen Marktzugang.

Sprechen Sie uns an: In einem unverbindlichen Erstgespräch klären wir gemeinsam, wie wir Sie konkret unterstützen können.
Peter Hartung
Peter Hartung
Senior Expert Active Medical Devices & Software
Dr. Otmar Lienhart
Dr. Otmar Lienhart
Regulatory Affairs IVD
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