Medizinische Laboratorien: ISO 15189:2022 – Was ist neu?

07.03.2023
Die Norm ISO 15189 wurde überarbeitet und im Dezember 2022 als internationaler Standard ISO 15189:2022 veröffentlicht. Jetzt liegt sie als DIN EN ISO 15189:2023 auch in der deutschen Version vor: Medizinische Laboratorien – Anforderungen an die Qualität und Kompetenz. Die neue ISO 15189:2022 gilt als Grundlage für die Akkreditierung medizinischer Laboratorien. Was ist neu, was ist anders? Die Normenkapitel wurden neu strukturiert, die bisherigen Abschnitte und die beschriebenen regulatorischen Anforderungen wurden komplett überarbeitet, außerdem finden sich darin jetzt auch die Anforderungen an die Qualität und Kompetenz für patientennahe Untersuchungen (point-of-care testing, POCT) wieder.

Übergangszeitraum

Der Übergangszeitraum zur Umstellung der Akkreditierungen von der alten zur neuen Normversion ist bis zum 5. Dezember 2025 festgelegt. Akkreditierte medizinische Laboratorien müssen bis dahin die Umstellung auf die revidierte Norm nachweisen. Von der DAkkS wird hierzu eine Umstellungsanleitung erwartet.



Gestaltung des Qualitätsmanagementsystems nach der neuen ISO 15189:2022

Auch die Anforderungen an die Prozesse von Qualitätsmanagementsystemen (QMS) in Anhang C wurden stark überarbeitet: Die Kapitel der revidierten Norm sind neu organisiert, kleinteiliger untergliedert und einige Anforderungen an das QMS sind deutlich detailreicher.

Die Implementierung der Anforderungen der ISO 15189:2022 und die anschließende Akkreditierung des Prüflabors sollen die Qualität und Kompetenz im medizinischen Labor sicherzustellen. In der Norm wird die gesamte Prozesskette von Probenentnahme bis zur Herausgabe der Ergebnisse und Beratung der Laborkette in den normativen Prozessen berücksichtigt.

Ziel der überarbeiteten Ausgabe der ISO 15189:2022 ist es,
  • die Sicherheit und das Wohl der Patient*innen zu schützen,
  • die Qualität und Kompetenz der Prüflabore zu erhöhen und
  • die Vergleichbarkeit der akkreditierten Prüflaboratorien , die diese Norm anwenden oder nach ihr akkreditiert sind, bzw. deren Testergebnisse zu verbessern.
Die Norm setzt zudem einen Fokus auf das Risikomanagement, das sich an die regulatorischen Anforderungen der ISO 22367:2020 ("Medizinische Laboratorien - Anwendung des Risikomanagements auf medizinische Laboratorien") anlehnt. Die Planung, Umsetzung und der Nachweis der Wirksamkeit von ergriffenen Maßnahmen zur Mitigation von potenziellen Risiken sollen mögliche Schäden von Patienten, Laborpersonal und Dritten verringern.

Das Thema Risikomanagement ist auch für die Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen (CAPA) unumgänglich. Mit der Norm soll die Qualität der herausgegebenen Ergebnisse erhöht, die Gültigkeit der Untersuchungsergebnisse sichergestellt und die Herausgabe von falschen Prüfergebnissen vermieden werden. Mit Kapitel 8.5 der ISO 15189:2022 erhält die Thematik rund um den Umgang mit Risiken und Chancen ein eigenes Kapitel. Das Risikomanagement wurde in der Vorgängernorm unter Kapitel 4.11 Vorbeugungsmaßnahmen nur oberflächlich beschrieben.

Einen weiteren Schwerpunkt setzt die neue Version der ISO 15189:2022 auf die Kompetenz der Leitung und des Personals. Der/die versierte Qualitätsmanager*in erkennt hier Parallelen zur ISO 9001:2015, die in Anhang B der ISO 15189:2022 gegenübergestellt ist. Die überarbeitete Norm fordert, dass sich ein akkreditiertes Prüflabor kontinuierlich und nachweislich mit den Anforderungen seiner interessierten Parteien beschäftigt. Zu den interessierten Parteien zählen neben den Patienten und Gesundheitseinrichtungen auch die Öffentlichkeit, der Gesetzgeber und weitere Stakeholder, die jedes Prüflabor für sich identifizieren muss.


Point-of-care testing (POCT) – Patientennahe Tests

Für die Zulassung patientennaher Tests gilt es ebenso wie für die Tests zur Eigenanwendung, besondere Regelungen der IVDR (Verordnung (EU) 2017/746) zu beachten. Darunter fallen auch Schulungsanforderungen für die Anwender oder produktspezifische Qualitätskontrollen.
Anforderungen an die Qualität und Kompetenz für POCT waren bisher in der ISO 22870:2016 "Patientennahe Untersuchungen (point-of-care testing, POCT) - Anforderungen an Qualität und Kompetenz" (Deutsche Fassung DIN EN ISO 22870:2017) festgelegt. Die Vorgaben der ISO 22870:2016 finden sich jetzt in der ISO 15189:2022 wieder.

Während der Übergangszeit von drei Jahren kann die ISO 15189:2012 in Verbindung mit der Norm ISO 22870:2016 (Point-of-care testing (POCT) – Requirements for quality and competence) weiterhin als Basis für die Akkreditierung von patientennahen Untersuchungen (POCT) genutzt werden. Nach Ablauf der Übergangsfrist gilt für die Akkreditierungen im Bereich POCT ausschließlich die revidierte ISO 15189:2022. Die Anforderungen der ISO 22870:2016 wurden in die neue Normversion der ISO 15189:2022 integriert.


POCT in der ISO 15189 – Anhang A

Patientennahe Tests sind keine Produkte für die Eigenanwendung, wohl aber für die Anwendung außerhalb einer Laborumgebung. Sie werden in der Regel in der Nähe des Patienten oder beim Patienten durch einen Angehörigen der Gesundheitsberufe durchgeführt. Die Abgrenzung zu Tests zur Eigenanwendung wird in der ISO 15189:2022 hervorgehoben.

Den POCT ist ein eigener Anhang (A) gewidmet, der ergänzende Anforderungen enthält und vier Aspekte hervorhebt:
  1. Die Anforderungen gelten für medizinische Labore. Tests zur Eigenanwendung sind ausgeschlossen und die Anwendung außerhalb von medizinischen Laboren ist u. a. durch die ISO/TS 22583 reguliert.
  2. Die Leitung der Gesundheitseinrichtung hat sicherzustellen, dass entsprechende Prozesse zur Überwachung der Genauigkeit und Qualität der innerhalb der Organisation durchgeführten POCT implementiert sind. Aufgaben und Verantwortlichkeiten müssen festgelegt und eindeutig kommuniziert werden.
  3. POCT durchführende Labore benötigen einen Qualitätsbeauftragten, der explizit die Verantwortung für die Umsetzung der Qualitätsanforderungen für die POCT übernimmt.
  4. Es ist sicherzustellen, dass der Anwender, d. h. das Personal, entsprechend geschult ist. Diese Anforderungen aus Anhang A finden Sie auch in Kapitel 5 der ISO 22870:2016 und in der IVDR.

Weitere Informationen für das Gesundheitspersonal im Umgang mit POCT finden Sie in der ISO/TS 22583 "Leitfaden für Betreuer und Betreiber von Point-of Care-Testgeräten (POCT)".

Fazit: Für POCT-Anwender gilt künftig die Umsetzung der ISO 15189:2022. Das zusätzliche Studium der ISO 22870:2016 entfällt, was durchaus als Erleichterung zu betrachten ist. Für die Anwender/Hersteller von In-house Produkten jedoch wird die ISO 15189:2022 nicht ausreichen. Für den Aspekt der Herstellung müssen Sie die ISO 13485:2016 berücksichtigen.

Fazit: Umstellung auf die ISO 15189:2022 – Die Uhr tickt!

Während die Übergangsfrist zur Implementierung der neuen ISO 15189:2022 auf den 5. Dezember 2025 terminiert ist, sollten Laborbetreiber bereits jetzt die ersten Schritte einleiten. Wir empfehlen, die für Sie zutreffenden Anpassungen der regulatorischen Anforderungen schnellstmöglich zu implementieren, um auf der sicheren Seite zu sein.

Mit diesen Punkten können Sie starten:
  • Starten Sie mit einer GAP-Analyse, um die für Sie relevanten Änderungen der regulatorischen Anforderungen zu ermitteln und die notwendigen Anpassungen Ihres QMS zu planen. Wir unterstützen hierbei gern.
  • Identifizieren Sie Ihre interessierten Parteien und dokumentieren Sie deren Erwartungen.
  • Konsolidieren und planen Sie Ihren Umgang mit Risiken und Chancen.
  • Ermitteln Sie, ob für jede Funktion (Laborleitung und Laborpersonal) Kompetenzkriterien festgelegt sind und ob diese auch regelmäßig überprüft werden.
  • Behalten Sie Ihre Timelines für Interne Audits und das Managementreview im Blick, um die Umsetzung der neuen regulatorischen Anforderungen und die Wirksamkeit Ihres QMS zu bewerten.

Haben Sie Fragen zur Umstellung auf die neue ISO 15189:2022? Benötigen Sie Unterstützung auf Ihrem Weg zu einem akkreditierten Prüflabor? Oder haben Sie Fragen zu den regulatorischen Anforderungen an Ihre POCT? Wir unterstützen Sie gerne! Auch wenn es um Ihr QMS geht stehen wir Ihnen zur Seite. Kontaktieren Sie uns – gemeinsam finden wir die beste Lösung für Ihren Bedarf.


Beste Grüße
Bruntje Schmidt und Dunja Schildge-Reichmann

   
Bruntje Schmidt    Dunja Schildge-Reichman
Quality Management Expert    Head of IVD
+49 621 123469-052    +49 621 123469-043
bruntje.schmidt@metecon.de    dunja.schildge-reichmann@metecon.de


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