Regulatory Affairs 2023: Ausblick auf verschiedene Anforderungen und Zielmärkte

20.01.2023
Das letzte Jahr war spannend: Die Medizinprodukthersteller wurden mit der Implementierung der MDR-Anforderungen auf Trab gehalten. Und auch die IVD-Hersteller mussten mit der Einführung der Verordnung (EU) 2017/746 (IVDR) einige Hürden meistern, wie bspw. die Aktualisierung der Technischen Dokumentationen ihrer In-Vitro-Diagnostika. Durch den vollzogenen Brexit (UK) und das Ende des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen mit der Schweiz (Mutual Recognition Agreement (MRA)) sind beide europäischen Nachbarstaaten faktisch zum Drittstaat geworden. Das erhöht die regulatorischen Anforderungen an Medizinprodukte und IVDs für das Inverkehrbringen auf dem UK-Markt und in der Schweiz.

Und was steht 2023 an? Wir nehmen Sie auch dieses Jahr in unseren Blogbeiträgen mit auf die Reise durch die wichtigsten Themen der Medizinprodukte- und IVD-Branche. In diesem Beitrag geben wir Ihnen einen Ausblick auf Regulatory Affairs-Themen, die uns bereits jetzt unter den Nägeln brennen.


Die MDR und die neuen Übergangsfristen

Quo vadis, MDR? Auf der Tagung des EPSCO-Gesundheitsrates (Employment, Social Policy, Health and Consumer Affairs Council = Rat für "Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz") am 14. Juni 2022 äußerten die Gesundheitsminister ihre Besorgnis: Die bestehenden, ernsthaften Herausforderungen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (MDR) bedrohen die kontinuierliche Verfügbarkeit bestimmter Medizinprodukte, die für Gesundheitssysteme und Patient*innen benötigt werden, und der Zugang innovativer Medizinprodukte zum EU-Markt ist gefährdet.

Darauf folgte am 09.12.2022 erneut ein Treffen des EPSCO-Gesundheitsrates, an dem auch die EU-Kommission beteiligt war. Die EU-Kommission nahm die Bedenken der Mitgliedsstaaten und der Benannten Stellen ernst und stellte diejenigen regulatorischen Aspekte vor, die voraussichtlich in einer Ergänzung der MDR/IVDR festgeschrieben werden.

Im Anschluss an das Treffen des EPSCO-Gesundheitsrates wurde im Dezember 2022 das neue MDCG-Positionspapier "MDCG 2022-18" veröffentlicht: zur Anwendung von Artikel 97 MDR auf Legacy Devices, deren MDD- oder AIMDD-Zertifikat abläuft, bevor ein MDR-Zertifikat ausgestellt wird. Dieses MDCG-Dokument adressiert gezielt die Engpässe der Benannten Stellen, die zu Verzögerungen bei der Ausstellung von MDR-Zertifikaten und somit zu nicht-konformen Produkten führen (da das MDD/AIMDD-Zertifikat abgelaufen ist).

Ziel ist es, durch das MDCG 2022-18 die kontinuierliche Verfügbarkeit von Medizinprodukten auf dem EU-Markt zu gewährleisten, die für die Gesundheitssysteme und die Patient*innen notwendig sind. Das MDCG-Positionspapier beinhaltet Informationen darüber, wie die Zertifizierungsstellen beabsichtigen, Artikel 97 MDR in einer rechtlich fundierten, kohärenten und konsistenten Weise anzuwenden.

Das MDCG 2022-18 gilt nur für Legacy Devices, die in den Anwendungsbereich von Artikel 120(3) MDR fallen, und für die das MDD-/AIMDD-Zertifikat vor der Ausstellung des/der erforderlichen MDR-Zertifikats/-Zertifikate abläuft bzw. bereits abgelaufen ist.

UPDATE:

Am 6. Januar 2023 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Medizinprodukteverordnung (MDR) und der Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVDR), um das Risiko der beschriebenen Engpässe zu verringern.

Nachdem der EU-Rat dem Entwurf Ende Januar zugestimmt hat, stimmte auch Europäische Parlament dem Entwurf der Kommission am 16. Februar 2023 mit einer deutlichen Mehrheit zu. Dies räumt den Herstellern mehr Zeit ein, um ihre bestehenden Produkte an die regulatorischen Anforderungen der MDR anzupassen. Die Verlängerung der Gültigkeit der MDD-Zertifikate bis 2027 bzw. 2028 und die beschlossene Fristverlängerung zur Anpassung an die MDR entlastet die Zeitpläne der Hersteller und der Benannten Stellen erheblich.

Übersicht über die wichtigsten Änderungen:
  • Gestaffelte Ausweitung der Übergangsfristen gemäß Artikel 120(3) MDR in Abhängigkeit der Risikoklasse der Produkte.
    Fristverlängerung zur Umstellung auf die MDR:
    • 2027 für Produkte der Klasse III und Klasse IIb mit erhöhtem Risiko,
    • 2028 für Produkte der Klasse IIa und diejenigen Klasse I-Produkte, die die Beteiligung einer Benannten Stelle brauchen.
  • Ausweitung der Übergangsfristen mit einer Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Zertifikate nach 93/42/EWG und 90/385/EWG.
  • Die Regelung zur weiterhin erlaubten Bereitstellung von Produkten bis Mai 2025 fällt weg (betrifft Artikel 120(4) MDR und Artikel 110(4) IVDR).
Die Fristverlängerung gilt nicht für alle Produkte, sondern ist an bestimmte Bedingungen geknüpft. Die angepassten Regelungen gelten nur für diejenigen Produkte, die mit keinen unvertretbaren Risiken verbunden sind, keine wesentlichen Änderungen erfahren haben und für die der Hersteller bereits einen Konformitätsbewertungsprozess gemäß MDR/IVDR angestoßen hat. Voraussetzung dafür ist, dass die Anpassung des Qualitätsmanagementsystems erfolgt ist, der Konformitätsantrag gestellt oder von einer Benannten Stelle bereits akzeptiert wurde. Der Antrag muss bis spätestens 26. Mai 2024 gestellt werden, und die vertragliche Vereinbarung mit den Benannten Stellen muss bis spätestens 26. September 2024 abgeschlossen sein.

Der nächste Schritt zur offiziellen Änderung der MDR/IVDR ist die Unterzeichnung und anschließende Veröffentlichung im Amtsblatt. Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt tritt der Verordnungsentwurf dann in Kraft.

Tipp: Verlieren Sie als Hersteller keine Zeit und forcieren die Umstellung Ihrer Produkte auf die MDR. Die Zahl der Benannten Stellen gemäß der EU-Verordnungen MDR und IVDR ist weiterhin überschaubar, weswegen der Engpass bestehen bleibt.


Brexit – Verlängerung der Übergangsfrist für die CE-Kennzeichnung und Ausblick auf den regulatorischen Rahmen

Nachdem das Vereinigte Königreich am 1. Januar 2021 den Brexit vollzogen hatte und UK seitdem als EU-Drittstaat gilt, lohnt es sich in diesem Jahr nochmals einen Blick auf die Brexit-Roadmap zu werfen.

Während die Registrierfristen für Medizinprodukte bei der britischen Regulierungsbehörde MHRA (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency) bereits zum 31. Dezember 2021 abgelaufen sind, stand das Ende der Übergangsfrist für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten und IVD mit Anerkennung des CE-Kennzeichens in UK zum 30. Juni 2023 vor der Tür. Nach der bisher gültigen Roadmap des Brexits sollte ab dem 1. Juli 2023 nur noch die UKCA-Kennzeichnung auf Medizinprodukten und IVD in UK Anerkennung finden.

Bereits Ende Oktober 2022 gab die MHRA bekannt, dass sie die Übergangsfrist für Medizinprodukte und IVDs verlängern wird. Laut dieser Ankündigung soll die Frist um ein Jahr, bis zum 1. Juli 2024, verlängert werden und das CE-Kennzeichen weiterhin auf dem UK-Markt Anerkennung finden. Es sollen noch weitere Übergangsbestimmungen in Kraft treten.

Weiterhin plante die britische Regierung nach dem vollzogenen Brexit, eine eigenständige Regulierung für Medizinprodukte und IVDs zu implementieren. Das Inkrafttreten dieser UK-MDR war ursprünglich für den 1. Juli 2023 vorgesehen. Im vergangenen Jahr haben die britische Regierung und die MHRA eine Befragung unterschiedlicher Stakeholder zu den Optionen für die vorgeschlagenen Änderungen des Rechtsrahmens für Medizinprodukte und IVDs im Vereinigten Königreich durchgeführt: Im Juni 2022 wurden die Antworten auf die Befragung und der daraus deutbare, grobe regulatorische Rahmen veröffentlicht. Nach dem neuen Zeitplan sollen die daraus abgeleiteten, neuen regulatorischen Anforderungen ebenfalls erst ein Jahr später, ab dem 1. Juli 2024, in Kraft treten. Ein konkreter Entwurf der neuen regulatorischen Anforderungen für Medizinprodukte und IVD in UK liegen bisher seitens der MHRA noch nicht vor.

UPDATE: Die sehnlichst erwarteten, neusten Informationen hierzu präsentierte die MHRA am 24. Januar 2023 in einem Webinar. Demnach ist die Veröffentlichung der künftigen MDR für voraussichtlich Winter 2023 geplant. Die Implementierung der daraus resultierenden, neuen regulatorischen Anforderungen sollen im Sommer 2024 mit einer sechsmonatigen Umsetzungsfrist abgeschlossen sein.

Swexit – die Entwicklungen nach Ende des MRA

Bisher dürfen Patient*innen in der Schweiz ausschließlich mit Medizinprodukten behandelt werden, die eine EU-Zulassung haben. Nach Ende des MRA zwischen der Schweiz und der EU zeichnete sich nach und nach ein möglicher Engpass in der Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit notwendigen Medizinprodukten ab.

Das Schweizer Parlament forderte deshalb den Bundesrat auf, das nationale Recht so anzupassen, dass die Schweiz Medizinprodukte mit einer FDA-Zulassung anerkennt. Diesem Antrag wurde am 28. November 2022 stattgegeben, und der Bundesrat hat den Entscheid zugunsten der Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit qualitätsgeprüften Medizinprodukten gefällt. Somit wird der Schweizer Medizinproduktemarkt künftig um Medizinprodukte mit FDA-Zulassung erweitert und die Schweiz ist nicht mehr ausschließlich von eigenen Produkten und Medizinprodukten mit MDR-Zulassung abhängig.

Wie der gesetzliche Rahmen aussehen wird und welche Übergangsfristen für die Anerkennung der Medizinprodukte aus den USA gelten werden? Das wird in diesem Jahr nicht nur die Hersteller in der Schweiz beschäftigen, sondern auch die Hersteller aus der EU, die weiterhin ihre Marktanteile in der Schweiz trotz Konkurrenz aus den USA zu halten versuchen.

Einen weiteren Meilenstein für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten in der Schweiz wird auch die Swissdamed – Swiss Database on Medical Devices – darstellen. Die Swissmedic hat im April 2022 mit der Realisierung einer Datenbank vergleichbar zu Eudamed begonnen. Allerdings werden zukünftig erst mit einer entsprechenden Änderung der MepV/IvDV (Medizinprodukteverordnung/Verordnung über In-vitro-Diagnostika) die Registrierungen für Medizinprodukte und IVD verpflichtend. Die Änderung der regulatorischen Anforderungen in MepV und IvDV und der damit verbundene Start der Swissdamed-Datenbank ist ebenfalls für 2023 geplant.

Fazit

Was tatsächlich kommt und was eventuell doch noch geändert wird? Wir behalten die Entwicklungen rund um die MDR und IVDR sowie die regulatorischen Anforderungen in der Schweiz und Großbritannien für Sie im Auge und berichten dazu zeitnah, sobald wir Neues erfahren.

Wir würden uns freuen, Sie bei den anstehenden regulatorischen Herausforderungen für Ihre IVDs oder Medizinprodukte tatkräftig unterstützen zu dürfen!

Herzliche Grüße
Bruntje Schmidt


Bruntje Schmidt
Medical Device Expert
Quality Management   
& Technical Documentation
+49 621 123469-052
bruntje.schmidt@metecon.de


Unseren Newsletter abonnieren und Know-how tanken


Regulatory Compliance erfordert tiefgreifendes und umfassendes Wissen. Beides vermittelt unser Newsletter: 14 täglich liefert er Ihnen Best Practices unserer Expertinnen und Experten aus Dokumentation, Marktzugang und Marktbeobachtung, gibt Informationen zum aktuellen Geschehen, Themenüberblicke und Tipps für Ihre Umsetzung - kurz: Unser Newsletter hält Sie auf dem Laufenden.

Newsletter abonnieren und kostenlosen Info-Service nutzen

Um unsere Beiträge als RSS-Newsfeed abonnieren zu können, benötigen Sie einen RSS-Reader. Dann nur noch Klick auf "Unseren RSS-Newsfeed abonnieren", "Subscribe" zustimmen - et voilà: Ab sofort erhalten Sie alle aktuellen Meldungen von uns in Ihren Reader. Sie wollen unsere News direkt in MS Outlook abonnieren und angezeigt bekommen? Wie das klappt, lesen Sie hier.